Sie hat es geschafft.
Nach Jahren harter Arbeit, schlafloser Nächte und unzähliger Entscheidungen, die Mut verlangten, steht sie nun dort – vor den mächtigen Toren ihres neuen Zuhauses. Ein Palast, sagen die einen. Ein Traum aus Stein, Glas und Geschichte. Für sie ist es beides – Triumph und Prüfung zugleich.
Als sie die schweren Türen öffnet, durchströmt goldenes Licht die hohen Hallen. Es riecht nach frischer Farbe, nach neuem Anfang. Alles glänzt, als wollte der Raum ihr zuflüstern: Jetzt hast du es geschafft.
Und doch – tief in ihr bleibt eine leise Unsicherheit.
Denn Reichtum, so weiß sie, lässt sich zählen. Glück dagegen muss man fühlen.
In den Wochen nach dem Einzug wandert sie oft allein durch die langen Gänge. Jeder Schritt hallt wider, als wollte das Haus ihr sagen: Hier bist du – aber bist du auch angekommen?
Der Garten, in dem sich der Himmel in den Marmorbecken spiegelt, ist wunderschön – doch manchmal wirkt er still, fast fremd. Sie pflanzt Rosen, in der Hoffnung, dass Leben einzieht. Doch sie spürt: Blumen wachsen schneller als Geborgenheit.
Freunde kommen zu Besuch, bewundern, bestaunen, beneiden. Sie lächelt, schenkt Wein ein, führt durch die Säle – und fühlt sich dabei manchmal seltsam unsichtbar in ihrer eigenen Welt.
Was ist Glück? fragt sie sich eines Abends, als die Sonne die Mauern rot färbt. Vielleicht hat es weniger mit Größe zu tun, als mit Nähe. Weniger mit Besitz, als mit Bedeutung.
Sie beginnt, Räume zu öffnen – nicht nur die im Haus, sondern auch die in ihrem Herzen.
Sie lädt Nachbarn ein, veranstaltet kleine Feste, gibt Musikern Raum zum Spielen. Kinder lachen im Innenhof, und plötzlich klingt das Echo anders: lebendig.
Langsam verwandelt sich der Palast. Aus einem Ort des Überflusses wird ein Ort der Begegnung. Aus Stein wird Wärme. Aus einem Traum wird ein Zuhause.
Und sie?
Sie hat vielleicht nicht sofort das Glück gefunden –
aber sie hat gelernt, dass es oft erst dann einzieht,
wenn man den Schlüssel teilt.