Ein Schlag für die bayerische Weidetierhaltung – Verwaltungsgerichtshof kippt Bayerische Wolfsverordnung

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München (bbv) – Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), in dem das Gericht das Vorliegen eines günstigen Erhaltungszustands als Voraussetzung zur Ausnahme einer Wolfsentnahme nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) bestätigte, hat nun auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) die Bayerischen Verordnungen zum Wolf gekippt. Jedoch nicht aus inhaltlichen Erwägungen, sondern wegen Unterbleibens der gesetzlich vorgeschriebenen Verbändeanhörung. Die Frage, ob die Bayerische Wolfverordnung und deren Ausführungsverordnung inhaltlich korrekt sind, hat das Gericht nicht entschieden.

In der Verhandlung wurde jedoch deutlich, dass ein Abstellen auf den günstigen Erhaltungszustand nicht allein maßgebend sein kann für eine Ausnahme zum Verbot der Wolfsentnahme. Diese vorläufige Einschätzung unterstützt zwar die Ansicht der Landwirtschaft. Dadurch, dass die Verordnungen für unwirksam erklärt wurden, ist immer noch keine Rechtssicherheit gegeben. Offen bleibt, wie es weiter geht. Es ist anzunehmen, dass der Freistaat Bayern nach einer ordnungsgemäßen Verbändeanhörung und nach eventuellen inhaltlichen Anpassungen die Wolfsverordnungen neu erlassen wird.
„Leider stehen wir auch hier wieder am Anfang. Für Weidetierhalter ist dies eine immense Frustration“, beklagt Stefan Köhler, Umweltpräsident des BBV.

Hürden für Ausnahmegenehmigung weiterhin hoch
Das am letzten Donnerstag ergangene Urteil vor dem EuGH behandelte einen Fall in Österreich, die darin festgeschriebenen Grundsätze sind nun in der gesamten EU anzuwenden. Im Urteil des EuGH wird klargestellt, dass eine Aufnahme in den Ausnahmekatalog des Anhangs IV zur FFH-Richtlinie, wonach eine erleichterte Entnahme des Wolfes möglich ist, nur dann erfolgen kann, wenn der günstige Erhaltungszustand in der Wolfspopulation gesichert ist.

Hintergrund der an den EuGH gerichteten Frage war, ob die unterschiedliche Behandlung der Ausnahmen zu Wolfsentnahmen in den EU-Mitgliedstaaten einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 EUV (Gleichbehandlungsgrundsatz) darstellt, da in einigen Mitgliedstaaten die Entnahme leichter erfolgen kann, nämlich in den Ländern, die bei Erlass der FFH-Richtlinie bereits einen günstigen Erhaltungszustand der Wolfspopulation vorweisen konnten.

Das Urteil bezieht sich lediglich auf die Einzelfallfrage und darf nicht ohne weiteres auf andere Sachverhalte angewendet werden, wenngleich die Grundsätze zu berücksichtigen sind. Das ging heute auch nochmal klar aus der Verhandlung vor dem VGH hervor.

Auch wenn Behörden nun dazu tendieren könnten, den Grundsatz des günstigen Erhaltungszustands für alle Entscheidungen anzuwenden, ist dies nach hiesiger Rechtsauffassung nicht von der Rechtsprechung des EuGH gedeckt und nach Auffassung des VGH vermutlich auch nicht gewollt.

Des Weiteren entschied der EuGH, dass bei der Annahme des günstigen Erhaltungszustands eine grenzüberschreitende Betrachtung nur dann zulässig ist, wenn auf lokaler und nationaler Ebene bereits ein günstiger Erhaltungszustand herrscht.
Indirekte Schäden, die nicht auf diesen einzigen Wolf zurückzuführen sind und sich aus Betriebsaufgaben und der daraus resultierenden Reduktion des Gesamt-Nutztierbestands ergeben, reichen für eine Ausnahmegenehmigung zur Entnahme nicht aus. Auch die wirtschaftlichen Auswirkungen anderweitiger Herdenschutzlösungen können laut EuGH keinen Ausschlag geben.

Zuverlässiger Schutz von Weidetieren unmöglich
„Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist für die Bayerischen Weidetierhalter ein Schlag in die Magengrube“, betont BBV-Umweltpräsident Köhler, der sich seit langem für praktikable Entnahmemöglichkeiten beim Wolf ausspricht. „Die Interpretation des Urteils ist bedauerlicherweise nicht schwer: Mittelbare wirtschaftliche Schäden für Nutztierhalter rechtfertigen zukünftig keine Wolfsentnahme mehr, wenn nicht ganz klar ist, welcher Wolf die Nutztiere gerissen hat“, so der BBV-Funktionär. „Ein hundertprozentiger Schutz von Weidetieren ist unmöglich. Häufig sind Herdenschutzmaßnahmen für die Tierhalter nicht zumutbar. Nun zu fordern, dass alle Schutzmaßnahmen zum Wohle der Nutztiere ausgeschöpft werden müssen, unter anderem mit dem Einsatz von Herdenschutzhunden, lässt erkennen, wie praxisfern hier vom Richtertisch geurteilt wurde“, kritisiert der BBV-Umweltpräsident.

Mit dem Urteil des EuGH sowie einem Vorabverfahren wurde nun entschieden, wie die Fauna-Flora- Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) auszulegen ist. „Das heißt, dass alle EU-Staaten in ähnlich gelagerten Verfahren, auch bei Fischotter oder Saatkrähe, so agieren werden“, merkt der frisch gewählte Europaabgeordnete Köhler an. Das von Bundesministerin Steffi Lemke auf den Weg gebrachte Schnellabschussverfahren, demzufolge auch ohne DNA-Bestimmung des Verursachers entnommen werden sollte, steht auf dem Prüfstand.