Alte regionale Sorten und Kirsch-Raritäten

Robert Lauer und Johannes Bayer übergeben den Kirschsortenbericht an Bürgermeister Claus Bittenbrünn unter einem der ältesten Kirschbäume am Schafhof in Königsberg. Foto: Manfred Husslein.
Robert Lauer und Johannes Bayer übergeben den Kirschsortenbericht an Bürgermeister Claus Bittenbrünn unter einem der ältesten Kirschbäume am Schafhof in Königsberg. Foto: Manfred Husslein.
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Bericht über die Kirschsorten-Kartierung an die Stadt Königsberg übergeben

Haßberge – Die Landschaft der Haßberge ist uraltes Kirschenland. Hier wirkte vor über 200 Jahren Christian Freiherr Truchseß von Wetzhausen auf der Bettenburg. Über 30 Jahre lang sammelte er Kirschsorten, pflanzte sie um die Bettenburg und verifizierte deren Sortenechtheit. Christian Freiherr Truchseß von Wetzhausen gilt als “Vater” der Kirschpomologie. Von der seinerzeit europaweit bedeutendsten Kirschsortensammlung hat er im Jahr 1819 insgesamt 231 Kirschsorten in seinem Buch „Systematische Classifikation und Beschreibung der Kirschensorten” beschrieben. Obwohl die Kirschbaumsammlung an der Bettenburg nicht mehr existiert, lag die Vermutung nahe, dass in den Haßbergen die ein oder andere historische beschriebene Sorte Verbreitung gefunden haben könnte. Nachdem die Bemühungen der Unteren Naturschutzbehörde und der Kreisfachberatung für Gartenbau und Landespflege 2022 erfolgreich waren, die bundesweit tätige und damit sehr gefragte Pomologin Annette Dr. Braun-Lüllemann in die Haßberge zu locken, konnte eine Kartierung von einigen Kirschlagen im Landkreis starten, die jetzt fertiggestellt wurde.

Im Auftrag der unteren Naturschutzbehörde konnten insgesamt 477 Bäume in drei Schwerpunktgebieten erfasst werden. Robert Lauer, Obstsortenexperte von der Unteren Naturschutzbehörde, konnte mit seinem langjährigen Wissen wertvolle Obstbestände im Bereich Königsberg und den ehemaligen Kirschdörfern Altenstein und Nassach vorauswählen, so dass die renommierte Expertin gezielt Kirschsorten begutachten konnte.

Die Arbeit hat sich gelohnt, wie der kürzlich vorgelegte Bericht von Dr. Braun-Lüllemann aufzeigt: 52 verschiedene Kirschsorten konnten gefunden werden – eine für eine Ersterfassung sehr hohe Anzahl. Selbst im bedeutsamen Kirschanbaugebiet in der Fränkischen Schweiz konnten bei größerem Untersuchungsumfang deutlich weniger Sorten nachgewiesen werden. Bemerkenswert ist, dass neben den häufig vorkommenden Sorten wie die bekannte ´Hedelfinger´, ´Schneiders Späte´ und ´Büttners roter Knorpelkirsche´ eine Reihe von Regionalsorten, wie die ´Großrote`, die Sendelbacher` und die ´Bamberger Roten` entdeckt werden konnten.

Von den aufgefundenen 52 alten Sorten sind sieben Sorten (13,5 Prozent) vom Aussterben bedroht, 15 Sorten (29 Prozent) müssen als stark gefährdet und 21 Sorten (40 Prozent) als gefährdet angesehen werden. „Über 80 Prozent der Sorten sind also einem Gefährdungsstatus zuzurechnen und akut bedroht“, erklärt Robert Lauer.

Bereits im Jahr 2023 wurden Edelreiser der seltenen aufgefundenen Sorten durch die Untere Naturschutzbehörde (Robert Lauer) und der Kreisfachberatung (Guntram Ulsamer, Johannes Bayer) gewonnen. Die meisten Altbäume, von denen Edelreiser geschnitten wurden, waren bereits in einem sehr schlechten Zustand. In einigen Fällen konnte vom Mutterbaum nur noch ein kleiner Reiser gewonnen werden. Robert Lauer hierzu: „Beim Schneiden der Reiser war mir klar, dass dies die letzten Reiser sein werden, die wir von der seltenen bzw. alten Sorte gewinnen werden. Eine Reihe der alten Kirschveteranen ist zwischenzeitlich abgestorben“. Das Material wurde zur Anzucht auf Jungbäumen zu einer Baumschule in Wiesentheid gegeben.

Ein weiteres Ergebnis der Erfassung war, dass sich die Kirschsortimente der Untersuchungsbereiche Altenstein, Nassach und Königsberg deutlich unterscheiden. Dem größten zusammenhängenden historischen Kirschbestand am Schafhof in Königsberg kommt dabei eine besondere Bedeutung zu: Der sehr in die Jahre gekommene Kirschbaumhain wird in den nächsten Jahren verjüngt werden. Die seltenen und über die Region hinaus wertvollen Sorten sollen hier nachgepflanzt werden. Die jungen Kirschbäume, die aktuell in der Baumschule nachgezogen werden, stehen voraussichtlich ab dem nächsten Jahr zur Pflanzung bereit. Sie sollen Teil eines geplanten Obstsortengartens am Schafhof Königsberg werden, der durch seltene und gefährdete Kernobstsorten ergänzt werden soll.
So kann die erfolgte Kirschsortenkartierung ein erster Baustein zum Sortenerhalt und damit der Bewahrung des historischen Kulturgutes des Landkreises Haßberge sein.

Der Obstsortenerhaltungs- und Sichtungsgarten soll auch in das Konzept des geplanten Naturparkzentrums des Naturparkes Haßberge in Königsberg eingebunden werden.
Die vom Naturparkzentrum gut erreichbare Obstanlage kann von dessen zahlreichen Besuchern somit zu einem weiteren Attraktionspunkt im Bereich der Stadt Königsberg werden. Der vorgelegte Bericht von Dr. Braun-Lüllemann wurde kürzlich in Königsberg an Bürgermeister Claus Bittenbrünn übergeben.

Info-Kasten

Bedeutende Rarität am Schafhof
Bezugnehmend auf den historischen Obstbestand des Kirschenbarons Christian Freiherr Truchseß von Wetzhausen schreibt Pomologin Annette Dr. Braun-Lüllemann in ihrem Bericht: „Bedeutend sind auch die aufgefundenen überregional verbreiteten Raritäten. Hervorzuheben ist hier insbesondere die „Golmbacher Breite Mittelfrühe”, die bisher nur von einem Einzelbaum im Landkreis Holzminden bekannt war. Diese kann sicher zum ganz alten Sortiment gezählt werden und geht möglicherweise noch auf die Truchsess´sche Pflanzung zurück.“ Der außergewöhnlich alte Baum steht seit langer Zeit an einer Wegekreuzung am Königsberger Schafhof.