Pierre Kaiser schreibt als erster Amputiertenfußballer im Spielbetrieb bayerische Fußballgeschichte

Amputierenfußball Pierre Kaiser (links) mit Mttelfrankens Bezirksvorsitzenden Uwe Mauckner (rechts). Foto: Philipp Schmatloch
Amputierenfußball Pierre Kaiser (links) mit Mttelfrankens Bezirksvorsitzenden Uwe Mauckner (rechts). Foto: Philipp Schmatloch
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Region/Fußball – Pionier in Bayern, Premiere in Franken: Als erster beinamputierter Spieler im Freistaat hat Pierre Kaiser eine Spielberechtigung beim Bayerischen Fußball-Verband (BFV) für den regulären Spielbetrieb beantragt – und stand jetzt bei der A-Klassen-Partie zwischen der SG Dormitz Brand II und der Reserve des TSV Behringersdorf (2:1) erstmals in einem Pflichtspiel auf dem Platz.

2007 hatte Pierre Kaiser bei einem Zugunfall sein rechtes Bein verloren. Ein Schicksalsschlag, der das Kämpferherz des Mittelfranken weckt. „Bereits kurz nach dem Unfall war mir klar, dass ich mein Leben voll auskosten möchte und mich nicht hängen lassen werde. Ich habe schnell gemerkt, dass Dinge wie beispielsweise Fahrradfahren auch mit einem Bein funktionieren.

Das hat mir Mut gemacht und gezeigt, dass das Leben auch mit amputiertem Bein sehr lebenswert ist“, erzählt Kaiser. Auf der Reha im niederbayerischen Osterhofen erzählt ihm ein Mitpatient vom Amputiertenfußball. Das Interesse ist geweckt, auch wenn der heute 35-Jährige zuvor nie Fußball gespielt hatte.

Bei einem Amputiertenfußball-Lehrgang in der Sportschule Hennef bei Bonn leckt Kaiser 2011 endgültig Blut, wird kurz danach Teil der Amputierten-Fußballmannschaft „Anpfiff Hoffenheim“ und schafft sogarden Sprung in die deutsch Amputierten-Nationalmannschaft.

Dort lernt er Ralf Stellfeld kennen, der 2023 als erster Amputiertenfußballer Deutschlands vom Niedersächsischen Fußballverband für den regulären Spielbetrieb zugelassen worden war und ihm von seinen Erfahrungen berichtet.

Ein Teil des Teams

Wieder ist Kaisers Neugier geweckt, der ohnehin bereits seit 2022 bei der Reserve der SG Dormitz Brand im Fußball-Kreis Erlangen/Pegnitzgrund mittraininert. „Mein Nachbar Martin Jäger, der bei uns das Tor hütet, hat immer wieder bei mir angeklopft und nicht lockergelassen, bis ich mich schließlich bereit erklärt habe, einmal im Training vorbeizuschauen. Die Reaktion der Spieler, die mir einen unglaublich herzlichen Empfang bereitet haben, hat dann dazu geführt, dass ich geblieben bin. Ich war sofort Teil des Teams und habe mich nicht eine Sekunde wie ein Spieler mit Handicap gefühlt“, erklärt Kaiser, dem nach dem Gespräch mit Stellfeld kein vernünftiger Grund einfällt, warum er nicht auch versuchen sollte, eine Spielerlaubnis für den regulären Spielbetrieb zu bekommen. „Ich habe mir gesagt, ich versuch das jetzt einfach, mehr als ein Nein kann ich nicht zu hören bekommen. Und tatsächlich habe ich mit meiner Anfrage bei unserem Bezirksvorsitzenden Uwe Mauckner eine offene Tür eingerannt. Er war sofort Feuer und Flamme und hat alles in die Wege geleitet, wofür ich sehr dankbar bin“, erklärt Kaiser, den auch eine Teamkollegin mit ihrem Beispiel ermutigt hatte, diesen Schritt zu gehen: Als eine der ersten Frauen in Bayern hatte Evi Schlagenhaufer beim BFV eine Sondererlaubnis zur Teilnahme am Männer-Spielbetrieb beantragt und schrieb mit ihrem Elfmetertreffer im A-Klassen-Heimspiel gegen die SpVgg Neunkirchen-Speikern-Rollhofen fränkische Fußballgeschichte.

Bezirksvorsitzender Maukner: „Ein echtes Vorbild“

„Fußball ist für alle da. Das ist für uns nicht nur eine hohle Phrase, sondern das Credo, nach dem wir im Verband leben. Für uns war es überhaupt keine Frage, dass wir dem Wunsch von Pierre Kaiser nachkommen und schnell und unbürokratisch eine Spielberechtigung erteilen. Zumal ja keine gravierenden Anpassungen notwendig sind. Das Spielen des Balles mit der Krücke wird als Handspiel gewertet – sonst bleibt weitgehend alles gleich. Pierre ist mit seinem Enthusiasmus und seiner Lebensfreude ein echtes Vorbild, ein Mutmacher für andere Menschen in einer ähnlichen Lebenssituation“, sagt Mittelfrankens Bezirksvorsitzender Uwe Mauckner.

„Bei uns in der Mannschaft waren alle sofort positiv gestimmt, als wir erstmals von der Geschichte gehört haben. Wir haben großen Respekt vor Pierre und finden es richtig cool, dass wir die ersten waren, die ihn haben spielen sehen und bei dieser besonderen Premiere als Gegner dabei sein durften“, erklärt Benjamin Schüch, Trainer des TSV Behringersdorf. Beringsdorfs Spieler Branimir Nikolov ergänzt: „Es war ein Privileg für uns. Dass ein Spieler, der es verdient hat, auf dem Platz zu stehen, das auch problemlos kann: Das hat der Bayerische Fußball-Verband möglich gemacht und ist damit auch seiner gesellschaftlichen Verantwortung gerecht geworden.“

„Ich habe in meiner langen Karriere schon alles gepfiffen: Blindenfußball-Spiele und Partien von gehörlosen Spielern – und jetzt als Schiedsrichter diese besonere Partie leiten zu dürfen, war schon eine super Geschichte und macht mich stolz“, erklärte Schiedsrichter Klaus Clausener.

Mit seinen ersten Einsatzminuten im regulären Meisterschafts-Spielbetrieb ist für Pierre Kaiser einer von drei Träumen in Erfüllung gegangen, zwei weitere sollen folgen: Die Deutsche Meisterschaft mit Anpfiff Hoffenheim und ein eigenes Amputierten-Fußballangebot in Nürnberg, das er gemeinsam mit dem Club realisieren will.